Kunstbanause hat geschrieben:Die Band war für mich musikalisch schon immer eher wenig ergiebig, und der neue Song untermauert das, indem man sich selbst kompositorisch unterbietet. Die Band lebt schon seit jeher von Image und Provokation, und sie hat sich eigentlich schon nach dem ersten (in meinen Augen strunzlangweiligen, unoriginellen) Album als Karikatur ihrer selbst entpuppt.
Musikalisch: Jein. Was das grundsätzliche angeht hast du Recht, es sind immer ähnliche Gitarren Riffs und das Schlagzeug erkennt mein eigentlich auch sofort. Man hört einen Teil und weiß sofort: Ah, Rammstein. Wirkt erstmal alles sehr ähnlich.
Was das sogenannte „Melody-Writing“ angeht ist es aber schon ein sehr hohes Niveau.
Das erkennt man, wenn man das ganze mal aufs Klavier übersetzt. Der klassische Max Giesinger oder allgemein Pop klingt mal gut auf Klavier, Rammstein hat da teils richtige Perlen. Wird dann eher kritisiert weil der Gesang keinen Gefallen findet oder der klassische Rammstein Sound. Von der Melodie her sind da aber wirkliche Perlen bei. (Deutschland wird zugegebenermaßen keine) Vor allem wenn’s um das Thema Chor geht (hat mal jemand „Engel“ oder „Mutter“ als Chor gehört? <3 ).
Kompositorisch: Hier bleibt es kein Jein, hier wird es ein Nein.
Keine Band versteht sich so gut darin kritische Themen so zu behandeln, dass nicht klar ersichtlich ist worum es gerade geht oder welche Position die Band vertritt. Moderne Musik (und auch Literatur) ist sehr eindimensional. Es gibt eine Wahrheit und das wars. Am besten lässt sich das an der Literatur festmachen. Könnte man ein „Twilight“ im Deutschunterricht interpretieren? Wahrscheinlich schon, aber es ist klar und sehr offensichtlich was die Autorin sagen will. Deutlich spannender ist da „Der Sandmann“ von E.T.A. Hofmann (mein liebstes klassisches Buch). Hier ist nicht ganz klar, was das Ziel des Buchs ist. Natürlich gibt es Ausreißer („Das Parfüm“ wäre einer) und eben so ein Ausreißer ist Rammstein in der Musik. Jeder singt nur über Liebe oder wie toll etwas ist oder meinetwegen auch dass er sein Leben hasst, aber es ist klar worüber er singt. Interpretieren kann man in der modernen Musik quasi nur Rammstein über die breite Masse ihrer Lieder. Man muss sich gar eingestehen dass Till Lindemann der zur Zeit wohl bedeutendste deutsche Dichter und Texter ist. Die Bedeutung wurde erst durch „Deutschland“ und die damit losgetretene Debatte (die schon wieder verebbt ist
) deutlich. Mag sein dass es bessere gibt, aber keinem gelingt es das so an die Öffentlichkeit zu bringen und so in andere Länder zu exportieren. Unter diesem Aspelt hat Rammstein mehr für die deutsche Sprache getan als eigentlich sonst wer seit Goethe.
Aber diese Einseitigkeit nervt mich an deutschen Songs tierisch. Der einzige Grund die zu hören ist halt die Melodie und weil Mans mitsingen kann. Ein „Mutter“ oder „Donaukinder“ oder „Wiener Blut“ oder „Roter Sand“ ist mir da deutlich lieber. Ich hab mich ewig gefragt worum es in Mutter geht, weil das für mich nie einen Sinn ergeben hat. Erst gehts um die Mutter, dann hat er keine Mutter, der fehlende Bauchnabel hat mich völlig irritiert, bis ich mir dann eine Interpretation gesucht hab weil ich’s wissen wollte. Bei welch einer Band passiert das heutzutage dass man eine Interpretation benötigt?
Da ist „Deutschland“ was die Komposition angeht eher mau, was den Text angeht aber doch wieder sehr interpretierbar, wobei das Video nochmal deutlich mehr Interpretatiknsspielraum bildet. Aber beispielsweise die Textzeile „Wer hoch steigt der wird tief fallen, Deutschland Deutschland über allen“ ist sehr einfach zu interpretieren, aber dennoch geschickt in einer Kritik auf den Patriotismus eine alte Nationalhymne leicht zu verändern und dem ganzen durch den vorgelagerten Teil in eine eher negative Botschaft zu wandeln.
Genauso geschickt ist es die ganze Melodie (allein durch die Deutschland Rufe im Refrain) sehr patriotisch zu gestalten als Gegensatz zum Text.
Mir fällt in Deutschland keine Band ein die Songs raushaut die man problemlos einen Chor singen lassen kann, wo man gar eine Oper drauß gestalten kann (das würd ich so feiern), wo man Songs interpretieren kann und wo richtig tolle Stücke entstehen wenn man es mit einem Klavier spielt oder einem Orchester.