str1keteam hat geschrieben: ↑Di 26. Okt 2021, 00:56
Theologe hat geschrieben: ↑Mo 11. Okt 2021, 20:16
Gerade die schwächeren Dialoge würde ich auf das gehetzte Tempo schieben. Die Dialoge hat Martin doch vorher auch nicht geschrieben. Unter der gestutzten Zeit hatten natürlich auch die Figuren zu leiden, weil man sich denen genauso reduziert widmete, wie der Handlung.
Nur weil die Buchvorlage fehlte, werden gute Autoren doch nicht plötzlich schlecht. Die haben ja nicht bei Martin abgeschrieben.
Korrekt. Benioff war mit 25th Hour (selbst adaptiert für den Spike Lee Film mit Edward Norton) und Stadt der Diebe bereits ein renommierter Buchautor. Vor allem garantiert eine gute Vorlage noch lange keine gute Verfilmung. Sonst wäre ja jede halbwegs werktreue Adaption von gleicher Qualität.
Zudem ist ein derart breit angelegtes Epos wie Game of Thrones alles andere als leicht zu adaptieren. Ich würde mal sagen, dass der Großteil von Showrunnern zu dem Zeitpunkt schon krachend daran gescheitert wäre den richtigen Fokus zu finden oder bestenfalls eine vergessenswert mittelmäßige Serie daraus geschaffen hätte (wie es reihenweise Buchklassikern in Film-und Serienform ging).
Zu der Autorensache:
Hier fällt das Wort "adaptieren" und genau da sehe ich den Punkt. Die beiden Macher (oder nur einer von ihnen?!) scheinen Genies zu sein, wenn es darum geht, Werke zu adaptieren bzw. sie als Drehbuch zu verwerten. Das scheint eine hohe Kunst zu sein, die diese beiden in einer Art und Weise beherrschen, wie niemand sonst.
Aber zu sagen, dass man kein schlechter Autor wird, wenn die Vorlage fehlt, würde ja implizieren, dass ein Autor gleich ein Autor ist. Aber genauso, wie es im Laufsport verschiedene Disziplinen gibt, gibt es die wohl auch als Schreiberling. Ein Romanbuchautor ist eben kein Drehbuchschreiber und ein Meister der Adaption wird nicht automatisch zum gefeierten Sachbuchautor.
Und so wie ich es immer gelesen habe (oder ich hab es in meiner selektiven Wahrnehmung nur so mitbekommen), wurde gelobt, dass die Beiden (oder eben nur einer?!) fantastisch darin sind, aus den Vorlagen verwertbare Drehbücher zu bauen.
Und sicherlich hat Martin nicht jeden Dialog überwacht und es wurde auch nicht aus den Büchern 1:1 abgeschrieben. Aber umso mehr ich mit den Büchern nachkomme, desto mehr sieht man, dass die einzelnen Szenen sich doch teilweise stark an den Szenen und Entwicklungen im Buch orientieren. Abgesehen davon, dass er selbst die Drehbücher für ein paar der krassesten Episoden geschrieben hat, kann mir niemand erzählen, dass er als Staff Writer, Creative Consultant und Co-Producer gar keinen Einfluss auf die Drehbücher hatte.
Einen ersten (wenn auch nur sehr leichten) Abschwung erlebt die Serie für mich mindestens da, als Martin nicht mehr mit dabei war und das sich gerade Season 7 und 8 von der Machart und der Charakterentwicklung enorm von den ersten Staffeln unterscheiden, halte ich ebenfalls nicht für Zufall, da die Vorlagen und das Material zu dem Zeitpunkt aufgebraucht waren (also scheinbar ja auch das Material, welches Martin schon in der Mache hatten).
Der größte Feind war die Zeit.
Würde ich ebenfalls widersprechen wollen. Rein vom Produktionsstandpunkt heraus, waren die beiden ja diejenigen, die den Zeitrahmen gesetzt haben. Auch wenn im Laufe der Jahre häufig darüber geredet wurde, wieso weshalb warum, so war die Entscheidung, die Serie mit Staffel 8 enden zu lassen und Season 7 und 8 zu verkürzen, eine Entscheidung der beiden Produzenten. Zumindest habe ich häufig gelesen, dass HBO durchaus Interesse an 10 Episoden pro Staffeln und noch mehr Staffeln hatte, obwohl die beiden das ja ursprünglich zu Beginn behauptet hatten. Auch hier stellt sich dann die Frage, ob die verkürzten Staffeln nicht vielleicht viel mehr was damit zu tun hatten, dass den beiden das Material ausging?!
Was auch immer der Grund war. Ob die beiden nicht mehr konnten oder wollten. Wenn die Produzenten sich dazu entscheiden, die Staffeln zu kürzen und nach Season 8 aufzuhören, kann ich es nur traurig hinnehmen, aber das ist ein Teilverschulden, welches dann auf den Produzenten lastet und nicht auf Zeitvorgaben...zumindest nicht rein darauf.
Rein inhaltlich, ohne das Ganze drum herum zu betrachten, sehe ich das Zeitargument auch aus folgenden Gründen anders.
Ich glaube nicht, dass Dialoge auf Grund von Zeitmangel schlechter werden müssen. Es gibt sicherlich Dialoge, die man hetzen muss, um mit der Story voranzukommen. Da sehe ich besonders die wenigen Zeilen von Lord Varys als Beispiel. Aber wenn ich an das Zusammensitzen vor der großen Schlacht von Eis und Feuer denke, dann ist das ein Paradebeispiel für langweilige Dialoge, die ich in den letzten beiden Staffeln leider häufiger erlebt habe. Die waren einfach nicht sehr interessant und man hatte auch nicht so krass das Gefühl, dass man hier super unterhaltsames sieht. Ich meine, die waren jetzt nicht grottig schlecht oder so, aber dennoch auch weit weg von super gut.
Warum ich so stark daran glaube, dass die beiden Produzenten ohne Martins Vorlage Probleme bekamen, ergibt sich dann in der Spitze anhand der vllt schlechtesten Sprechszene der Serie. Nämlich als Sansa und der Hund aufeinander treffen und Sansa erklärt, dass das mit der Vergewaltigung und dem Missbrauch ja alles ganz okay war, weil sie daran gewachsen ist.
Sorry, aber das hat nichts mit Zeit zu tun und nichts mit irgendwelchen anderen Produktions-, Budget-, oder Autorengründen. Es ist einfach nur ein klischeehafter und nahezu peinlicher Umgang alter weißer Männer mit Frauen und Frauenfiguren, der schon Ende des letzten Jahrhunderts nicht mehr modern war. Eine Frau, die erst sexuelle Gewalt erfahren muss, um stark zu sein, ist eine Schablone für Männer, die versuchen über Frauen zu schreiben und eigentlich keine Ahnung haben, was sie da tun. Im 21. Jahrhundert kannst du das noch machen, wenn deine Mutter dich Quentin nennt, ansonsten aber nicht. Das ist, rein qualitativ, für mich der Tiefpunkt, der sich jetzt nicht über die ganze Staffel erstreckt, aber beispielhaft gut zeigt, dass nicht Zeit, sondern ein feministischer Martin fehlt, unter dem es so einen Quark (und andere, nicht ganz so quarkhafte Sprechszenen) nicht gegeben hätte.
In dem Zusammenhang finde ich das Wort "Charakterentwicklung", welches im vorherigen Post erwähnt wurde, gerade zu albern. Charakterdekonstruierung wäre hier der richtige Begriff und das gerade von den weiblichen Chars, mit denen die scheinbar überfordert waren. Auch andere Figuren wie Tyrion oder Varys waren eigentlich nur noch Schatten ihrer selbst.
Ebenfalls würde ich anführen, dass man in Season 8, im Gegensatz zu den Hochzeiten aus Season 2 -4, nicht permanent 5 oder 6 Geschichten gleichzeitig erzählen musste, sondern die eine Staffel sich eigentlich nur noch in Winterfell und kings landing abspielte. Kann jetzt nicht sagen, dass ob das vergleichbar ist, aber generell empfinde ich Zeit als, wenn überhaupt, sekundäres und eben auch selber verursachtes Problem.
Summa summarum meiner Theorie, die womöglich auch zu 0% stimmt:
Die beiden sind mega geniale Drehbuchschreiber, wenn die Vorlage ihnen die Richtung weist. Als die noch sehr viel komplexeren Charakterzeichnungen aus den Büchern und Storyverläufe aus dem Material dann zu Ende waren, hat man selbst herumgedocktert und wohl irgendwann gemerkt, dass ohne das Vorlagengenie, die Genies der Adaption die Erwartungen nicht erfüllen konnten. Gemessen an der Dekonstruktion der Frauenfiguren und anderen Charakteren, wäre es interessant, ob die Schwächen nur noch sichtbarer geworden wären, wenn man sogar mehr Zeit gehabt hätte.